Michael Ott ist Vereinsmitglied des FC Bayern München und möchte, dass der FC Bayern das Sponsoring mit Qatar Airways beendet. Im Interview erklärt er nicht nur seine Beweggründe dafür, sondern spricht auch über Themen wie die Vereinspolitik der Zukunft und die WM.
Michael Ott ist Jurist und Fan des FC Bayern Münchens. Als aktives Vereinsmitglied dort setzt er sich für eine sauberere Vereinspolitik ein. Auch Menschenrechte und weniger Kommerz im Fußball sind für ihn ein wichtiges Anliegen. 2021 hat er per Antragsstellung versucht, dass der FC Bayern das Sponsoring mit Qatar Airways beendet. Der Antrag auf Abstimmung wurde aber abgelehnt. Bei der heurigen Jahreshauptversammlung hat er keinen Antrag mehr gefordert, sondern nur die Frage in den Raum geworfen, was nach Ablauf des Sponsoring-Vertrages passieren würde.
Warum ist die Partnerschaft mit Qatar Airways problematisch?
Weil es schwerwiegende Probleme in Katar gibt. Ganz kurz zusammengefasst: Die Menschenrechtslage, die Vorwürfe von Terrorismusfinanzierung und von Korruption im Sport. Das sind die drei Kernpunkte, am schwerwiegendsten ist die Menschenrechtssituation. Das Sponsoring vermittelt ein positives Image von Katar und das lenkt von den Problemen in diesem Land ab. Das ist kontraproduktiv, wenn man Veränderungen herbeiführen will. Damit stützen wir das bestehende System. Darum will ich das abschaffen.
Würdest du dich also als Aktivist im Fußball bezeichnen?
Ich bin kein aktiver Fan, der zu jedem Spiel fährt, das muss man vielleicht vom Begriff Aktivist trennen. Dennoch engagiere ich mich im Fußball, vor allem für meinen Verein – den FC Bayern München. Am meisten stört mich da die fortschreitende Kommerzialisierung und ein starker Auswuchs davon ist das Qatar Airways Sponsoring. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass der FC Bayern dieses Sponsoring beendet und anderen Vereinen zeigt, wie man sich besser verhalten kann.
Wie wichtig ist es da, Kompromisse eingehen zu können?
Mein Vorschlag war von Anfang an ein Kompromiss. Ich habe vorgeschlagen, dass man die Trainingslager in Katar beibehält und nur den Sponsoringvertrag beendet. Der FC Bayern versucht manchmal den Eindruck zu erwecken, dass Kritiker wie ich einen totalen Kontaktabbruch fordern würden. Das stimmt nicht. Aber auch ansonsten verschließe ich mich keinem Kompromiss, es fällt mir nur kein besserer ein. Der FC Bayern hat dahingehend auch keinen Vorschlag gemacht.
„Geld kann nicht die unbeschränkte Maxime unseres Handelns sein.“
-Michael Ott
Bei dem Sponsoringvertrag geht es um viel Geld für den FC Bayern. Ist es möglich, diese Summe gleichwertig zu ersetzen?
Wenn man der strikten Argumentation des FC Bayern folgt, müsste man annehmen, dass der Vertrag ersetzbar ist. Laut den Medien bringt der Vertrag um die 20 Millionen im Jahr. Das klingt nach sehr viel Geld und da denkt man erst, das kann kein anderer Sponsor ersetzen. Andererseits sagt der FC Bayern selbst, die Vergütung sei marktüblich. Und eine marktübliche Vergütung können meiner Meinung nach andere Sponsoren auch zahlen. Aber selbst wenn der FC Bayern keinen gleichwertigen Sponsor finden würde, ist der Vertrag mit Qatar Airways nicht gerechtfertigt. Geld kann nicht die unbeschränkte Maxime unseres Handelns sein. Den Rahmen unseres Handelns setzen die Menschenrechte. Darüber können wir nicht hinausgehen. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Deshalb ist es absurd, das Regime eines menschenrechtsverletzenden Staates zu unterstützen. Ein paar Millionen mehr holen übrigens auch nicht den Vorsprung von Klubs wie PSG oder Manchester City auf, das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und dafür seine Werte zu verlieren, ist fragwürdig.
Am 15. Oktober war die diesjährige Jahreshauptversammlung des FC Bayern. Dieses Mal hast du nicht die Auflösung des Vertrages gefordert, sondern gefragt, wie es nach Ablauf des Vertrages weitergehen soll. Wie denkst du, wird sich der FC Bayern entscheiden?
Die Antwort auf meine Frage ist das Präsidium mir leider wieder schuldig geblieben. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass sich der FC Bayern in seiner Argumentation wohl fühlt und der Vertrag verlängert wird. Ansonsten hätten sie ein Ende des Vertrages schon vor der Jahreshauptversammlung bekannt gegeben. Die Hoffnung besteht trotzdem noch, dass der Vertrag nicht weitergeführt wird und vielleicht sagt Qatar Airways nach der WM selbst, es gäbe zu viel schlechte Presse und verlängert den Vertrag nicht. Da muss man jetzt abwarten.
Du hast gesagt, Fußball ist dir zu kommerziell. Wie würdest du dir die Vereinspolitik in Zukunft wünschen?
Ich fände es sehr wichtig, dass die Mitglieder der Vereine ernsthaft eingebunden werden und nicht nur wie Kund*innen behandelt werden, die zum Geldausgeben da sind und nett klatschen. Der Verein soll mit Leben gefüllt werden, wie in einem kleinen Dorfverein auch. Das ist natürlich schwierig bei vielen Mitgliedern, aber man muss es bestmöglich versuchen, umzusetzen. Die Mitglieder sind das höchste beschlussfassende Organ im Verein und dürfen nicht übergangen werden. Da hat der FC Bayern im letzten Jahr auch viele Fortschritte gemacht, auch wenn noch nicht alles perfekt ist.
Blicken wir kurz auf die große Bühne des Fußballs. Wie stehst du zur WM in Katar?
Bei dem Thema bin ich hin und hergerissen. Ich kann beide Argumentationsweisen verstehen. Wenn Leute sagen, die WM ist der Gipfel der Kommerzialisierung und man muss sie boykottieren, kann ich das absolut nachvollziehen. Andererseits verstehe ich auch den Ansatz, dass es jetzt für einen Boykott zu spät ist und es sinnvoller ist, die WM aktiv zu nutzen, um auf die Probleme in Katar aufmerksam zu machen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Verantwortlichen das während der Turnierwochen zulassen werden. Es ist ja jetzt schon bekannt, dass die Pressearbeit zum Beispiel massiv eingeschränkt wird. Trotzdem lege ich nicht meine Hand dafür ins Feuer, dass ich kein Spiel kucke.
„Im Zweifel sollte man es auf den Konflikt mit der FIFA ankommen lassen.“
-Michael Ott
Was für Zeichen könnten Vereine setzen, um auf die Probleme aufmerksam zu machen?
Da gibt es ganz viele unterschiedliche Möglichkeiten. Angefangen von zum Beispiel einer Regenbogenarmbinde bis hin zu Freundschaftsspielen mit Gastarbeiter*innen oder Podiumsdiskussionen vor Ort. Es gibt alle möglichen kleinen und großen Gesten, um auf die Probleme aufmerksam zu machen.
Bringt so etwas „Kleines“ wie die Regenbogenarmbinde auch etwas?
Auf jeden Fall. Das sollte man sich nicht nehmen lassen, auch wenn die FIFA versucht, das zu unterbinden. Im Zweifel sollte man es auf den Konflikt ankommen lassen. Es ist armselig, so etwas zu unterbinden. Solche kleinen Gesten sind die einfachste Möglichkeit, Zeichen zu setzen und das sollte genutzt werden. Es wäre aber schade, wenn es nur dabei bleibt.
Malcolm Bidali hat im Interview mit nullzueins gesagt, dass die WM da ist, wo sie sein soll. Nicht nur, weil man zwischen den Katarer*innen und der katarischen Regierung unterscheiden muss, sondern auch weil ohne die Vergabe der WM an Katar nie so viel über die Menschenrechtsverletzungen dort diskutiert werden würde. Wie stehst du zu dieser Aussage?
Es ist auf jeden Fall sehr wichtig, die Gastarbeiter*innen selbst zu Wort kommen zu lassen. Er hat natürlich recht. Ohne die WM wäre nie das Fernglas so auf Katar gerichtet worden. Das Problem ist aber, dass die FIFA und auch der FC Bayern jetzt die Lorbeeren in Anspruch nehmen, weil durch den internationalen Druck teilweise Verbesserungen für die Gastarbeiter*innen erzielt wurden. Der Fehler liegt aber im Ursprung. Die FIFA gibt Katar eine Bühne für deren Imagewäsche. Natürlich richten Fans und Presse ihre Aufmerksamkeit auf Katar und dadurch entsteht die Kritik. Das führt teilweise zu Verbesserungen. Das ist aber der Verdienst der Kritiker*innen selbst, nicht der der FIFA, die die WM nach Katar vergeben hat. Es wäre besser gewesen, wenn man im Ausgangspunkt gesagt hätte: „Wir geben euch das Turnier erst, wenn menschenwürdige Bedingungen geschaffen wurden“. Das ist auch ein guter Hebel, um Druck auszuüben.
Was wünscht du dir von der FIFA langfristig?
Die FIFA ist eigentlich ein verlorenes System, das Korruption begünstigt. Alle bisher verabschiedeten Ethikkodexe sind nutzlos, wenn sie in der Realität ignoriert werden und nicht mit Leben gefüllt werden. Man müsste daher eine ganz neue Spitze formen, die nicht aus bestehenden Funktionär*innen zusammengesetzt ist und frischen Wind in die FIFA bringt. Im Grunde gehört die ganze Struktur erneuert. Lässt man die Struktur außen vor, ist es wichtig, keine WM alle zwei Jahre zu veranstalten und auch die Teilnehmerzahl nicht zu erhöhen. Auch die Vergabe sollte transparenter erfolgen, nach objektiven Kriterien. Katar war zum Beispiel nach objektiven Kriterien nicht als Veranstaltungsland für eine WM geeignet und hat sie trotzdem bekommen.
Abgesehen von Änderungen bei Weltmeisterschaften, gibt es sonst noch etwas was du dir im Fußball wünschen würdest?
Ein weiterer Punkt, der auch die UEFA betrifft, wäre, das erwirtschaftete Geld mehr in die Fläche und weniger in die Spitze zu verteilen. In allen europäischen Ligen haben die großen Klubs viel zu viel Geld zur Verfügung und dominieren die Ligen. Spielt ein Klub beispielsweise mehrere Jahre hintereinander in der Champions-League, sind das gewaltige Einnahmen. Da können andere Vereine dann nicht mehr mithalten. Das zerstört unsere Ligakultur, die wir über viele Jahrzehnte hatten. Der Reiz liegt ja darin, dass jeder jeden schlagen kann oder dass zumindest mehrere Klubs eine Chance haben, die Meisterschaft zu gewinnen. Und wenn das nicht mehr gewährleistet ist, dann könnte der Fußball zugrunde gehen.
Vielen Fußballfans geht es ähnlich wie dir, der Fußball ist zu kommerziell oder entwickelt sich in eine falsche Richtung. Die Leute haben aber das Gefühl, alleine etwas zu sagen oder tun, bringt nicht viel. Was könnte ein einzelner Fußballfan tun, um gehört zu werden?
Auch als Einzelne*r sollte man versuchen, etwas zu tun. Es sind in der Weltgeschichte relativ wenig Probleme von Menschen gelöst worden, die gesagt haben: „Ach, ich kann ja eh nichts ausrichten“. Natürlich muss man sich dann Gedanken machen darüber, wie. Wenn man in einem Verein Mitglied ist, dann hat man gewisse Rechte und diese kann man ausüben. Das kann zwar juristisch kompliziert werden, aber wenn man sich Verbündete sucht, hat man mehr Gewicht und kann meistens auch etwas Fachwissen mit einholen. Gleichzeitig ist es auch wichtig, sich öffentlich zu positionieren. Das kann zum Beispiel durch Transparente im Stadion passieren. Es hilft auch, einfach öffentlich seine Meinung zu äußern. Jede*r kann relativ leicht seinen/ihren Teil dazu beitragen und so die Verantwortlichen im Fußball unter Druck setzen.
Bildcredit: Michael Ott
Dieser Text ist Teil unseres Katar-Specials, in dem wir Menschen vorstellen, die sich für einen neuen Fußball einsetzen. Mehr Infos dazu gibt es hier.
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