Martin Endemann ist hauptberuflich Fan-Funktionär. Er setzt sich beim Fanbündnis Football Supporters Europe (FSE) für Fanrechte ein. Im Interview erzählt er, warum er sich engagiert und welchen Einfluss Fans im Fußball haben.
Wie ist es dazu gekommen, dass du dich für Fußballfans einsetzt?
Als ich zum Studium nach Berlin gezogen bin, habe ich, nachdem ich mit dem Karlsruher SC aufgewachsen bin, meine zweite Leidenschaft für Tennis Borussia Berlin gefunden. Dort habe ich angefangen, Fanzeitschriften zu machen. Darüber bin ich mit vielen anderen Menschen in Deutschland in Kontakt gekommen, die auch diese Fanzines gemacht haben und beim Fanbündnis BAFF gewesen sind. So bin ich auf mein erstes Vernetzungstreffen gefahren. Nach der Gründung von Football Supporters Europe 2008 bin ich dort im Vorstand gewesen und habe später einige Jahre ehrenamtlich für FSE gearbeitet. Jetzt mache ich das beruflich.
Warum sind dir Fanthemen wichtig?
Anfangs war es das Engagement gegen Diskriminierung. In den späten 80er und 90er Jahren, zu der Zeit, in der ich als KSC-Fan im Stadion aufgewachsen bin, hat es immer viel Rassismus, Antisemitismus und andere Diskriminierung gegeben. Das hat mich genervt. Über BAFF habe ich Gleichgesinnte gefunden. Dazu kamen die „klassischen Fanthemen“: Je mehr man sieht, wie schlecht Fußballfans von der Polizei behandelt werden, gerade wenn man es auch selbst miterlebt, desto mehr merkt man, wie wichtig Fanrechte sind und wie wenig Leute sich darum kümmern.
Also hast du dich verantwortlich gefühlt…
Genau. Ich habe mich durch meine Kontakte zu Freunden in ganz vielen Städten in Deutschland aber auch Europa im Fußball immer sehr wohlgefühlt. Meine Freunde sollten auch eine gute Zeit haben. Ich wollte die Welt nicht nur für mich selbst sondern auch für die anderen besser gestalten.

Welche Aufgaben übernimmst du bei den Football Supporters Europe?
Ich bin zuständig für alles, was die internationalen Wettbewerbe auf Vereinsebene angeht. Dort bin ich in Kontakt mit Fans und Fanbeauftragten von den teilnehmenden Vereinen aus Deutschland und tausche mich über Erfahrungen aus, die die Klubs und Fans auf Auswärtsfahrten machen. Wenn Probleme aufgetreten sind, reiche ich Beschwerde bei den Verantwortlichen – sei es nun ein Verein, die UEFA oder die Polizei – ein, damit es beim nächsten Mal besser läuft. In meiner Verantwortung liegt außerdem alles, was Menschenrechte angeht.
Also auch Sportevents wie die WM in Katar.
Genau. Das ist leider in letzter Zeit ein sehr großer Teil unserer Arbeit geworden. 2015 hat sich die Sport & Rights Alliance gegründet, ein Zusammenschluss von NGOs aus der ganzen Welt, bei dem wir auch dabei sind. Eines unserer Ziele ist es, Menschenrechte in die Vergabekriterien von Sportveranstaltungen aufzunehmen. Es bewerben sich leider fast nur noch Autokratien und Regime, die Sportevents zum Sportswashing benutzen wollen.
Ein kleiner, gut organisierter Haufen kann den Weltkonzern Bayern München ins Wanken bringen.
Martin Endemann über die Macht der Fans
Viele Fans kritisieren diese Entwicklung des Fußballs, also die Kommerzialisierung oder fehlende Fannähe. Gleichzeitig haben sie das Gefühl, dass sie daran nichts ändern können. Woher kommt das?
Als Fan ist man ein bisschen hilflos, man weiß nicht so recht, was man tun kann. Deshalb ist die Boykott-Qatar-Bewegung in Deutschland so groß. Ob ein Boykott viel verändern wird oder nicht: Dass man so eine persönliche Entscheidung trifft, ist völlig legitim, weil man nicht in der Position ist, die Fußballwelt zu verändern. Darin sieht man die eigene Hilflosigkeit und Enttäuschung. Gleichzeitig zeigt es aber auch, dass sich Menschen irgendwie einbringen wollen.
Kann der Fan aus seiner Hilflosigkeit ausbrechen?
Durch 50+1 gibt es – mit Ausnahmen – in Deutschland und Österreich die Möglichkeit, im Verein etwas zu verändern. Die Fußballverbände sind ja nur die Summe der Vereine. Veränderungen können also von der Basis ausgehen. Es gibt eine kritische Vereinsöffentlichkeit bei vielen Vereinen, das hat die Jahreshauptversammlung des FC Bayern im vergangenen Jahr gezeigt. Ein kleiner, gut organisierter Haufen kann den Weltkonzern Bayern München ins Wanken bringen.
Wie groß ist die Macht der Fans im Fußball?
Solange das Interesse der Vereine und Verbände vorhanden ist, dass die Stadien voll sind und die Stimmung gut ist, haben die Fans die Hand drauf. Das ist eine Macht, die man ausspielen kann. Inwieweit das dann Gehör findet, steht auf einem anderen Blatt. Aber es kommt nicht von ungefähr, dass zum Beispiel in Deutschland einige Sachen noch ganz okay laufen. Ticketpreise, Mitbestimmung im Verein, es gibt Stehplätze. Diese Dinge sind nur geblieben, weil Fanorganisationen Druck gemacht haben.
Dieser Text ist Teil unseres Katar-Specials, in dem wir Menschen vorstellen, die sich für einen neuen Fußball einsetzen. Mehr Infos dazu gibt es hier.
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