In die Tiefe

Investor – Schluss – Panik? Kapitel 2: Anzhi Makhachkala

2011 kauft der russische Klub Anzhi Makhachkala die Weltstars Samuel Eto'o und Roberto Carlos. 2021 spielt der Verein vor 140 Zuschauern in der dritten russischen Liga. Eine Erzählung zwischen 20-Millionen Gehältern und Zwangsabstieg.

2011 kauft der russische Klub Anzhi Makhachkala die Weltstars Samuel Eto’o und Roberto Carlos. 2021 spielt der Verein vor 140 Zuschauern in der dritten russischen Liga. Eine Erzählung zwischen 20-Millionen Gehältern und Zwangsabstieg.

Ähnlich wie der in Kapitel 1 angesprochene FC Malaga war auch Anzhi Makhachkala eine eher unscheinbare Adresse, bevor der große Investor einstieg. Der 1993 gegründete Verein aus der russischen Provinz Dagestan, war in seiner jungen Geschichte ein klassischer Fahrstuhl-Klub, der munter zwischen ersten und zweiten Liga-Stockwerk hin und her fuhr. 2009 schaffte man wieder einmal den Aufstieg in die russische Premjer-Liga.

Zwei Jahre später übernimmt der russische Oligarch Suleiman Abusaidowitsch Kerimow Anzhi Makhachkala und schaltet quasi den Turbo-Boost für den Verein aus Dagestan ein. Die Mittel dafür nimmt er aus seinem Vermögen von über sieben Milliarden Dollar. Er gilt damals als einer der reichsten Männer Russlands. Kerimow ist in vielen Branchen involviert, von Silberproduktion über Düngemittel bis zu Anteilen an bekannten Finanzinstituten wie der Deutschen Bank, UBS und Credit Suisse. Auch in der Politik hat er seine Finger im Spiel, saß dort schon im russischen Föderationsrat und der Staatsduma, dem russischen Parlament. Wie man es bei einem richtigen Oligarchen erwarten darf, ist auch Kerimow angeblich in mehrere Straftaten verwickelt gewesen, etwa in Bestechungs- und Korruptionsaffären.

Oligarch in Shopping-Laune

Seine Übernahme 2011 begleiten große Ambitionen. Anzhi soll so schnell wie möglich der größte und erfolgreichste Klub im Land werden. Um dies zu erreichen, will man nicht nur auf junge talentierte Russen setzen, sondern besonders auf bekannte internationale Stars, die mit viel Geld in die Provinz-Hauptstadt Dagestans gelotst werden sollen. Gleich nach der Übernahme verkündet Investor Kerimow den ersten prominenten Neuzugang, Roberto Carlos. Dem 37-Jährigen macht man mit einem Jahresgehalt von 10 Millionen Euro den Wechsel aus dem warmen Sao Paulo in die russische Provinz schmackhaft.

Ein halbes Jahr später schreibt Anzhi wieder weltweit Schlagzeilen, als sie den zweifachen Champions League-Sieger Samuel Eto’o für 27 Millionen Euro von Inter Mailand verpflichten. Doch nicht nur der Transfer an sich löst weltweites Erstaunen aus, sondern auch das Jahresgehalt von 20 Millionen Euro, das Eto’o damit zum bestbezahlten Spieler der Welt macht. Dies bei einem russischen Verein, den wohl kein Fußballfan außerhalb Russlands je gehört hat.

Mit zahlreichen weiteren Verpflichtungen wie Lassana Diarra, Yuri Zhirkov und der Trainerlegende Guus Hiddink will Kerimow nun den Angriff auf die russische Meisterschaft wagen. Jedoch stellt sich dem Klub ein logistisches Problem in den Weg. Da man aufgrund von heftigen Unruhen zwischen dem Militär und Aufständischen die Sicherheitslage im Nordkaukasus durchaus als angespannt beschreiben könnte, wollen viele der neu angeworbenen Stars nicht in Makhachkala wohnen. Sie quartieren sich stattdessen ins 1200 Kilometer entfernte Moskau ein. Doch auch dieser Umstand lässt Investor Kerimow nicht verzweifeln. Er verlegt kurzerhand den gesamten Trainingsbetrieb nach Moskau und lässt die komplette Mannschaft zu den Heimspielen in die Anschi-Arena einfliegen.

Sportlich geht es aber nun schnell bergauf. 2011/12 qualifiziert sich Makhachkala als Fünfter zum ersten Mal für das internationale Geschäft. 2012/13 wird der Klub sogar Dritter. Auch international macht man auf sich aufmerksam. In der Europa League übersteht man sofort die Gruppenphase und muss erst in der K.O.-Phase gegen Newcastle United die Segel streichen.

What goes up, must come down!

Doch dann fährt Uralkali, eine Düngemittelfirma, in die Kerimow stark investiert hat, hohe Verluste ein. Nun sitzt auch bei seinem sportlichen Engagement in Makhachkala die Geldbörse nicht mehr ganz so locker. Es ist die Rede von massiven Etatkürzungen. Offiziell lässt man verkünden, dass man sich in der Zukunft mehr auf die Ausbildung eigener Talente konzentrieren will und daher den Spieleretat um 50 bis 70 Millionen Euro verringern will. Nun setzt ein wahrer Abverkauf der Stars ein. Samuel Eto’o flüchtet zu Chelsea nach England, viele weitere Spieler wie etwa Yuri Zhirkov oder Alexander Kokorin gibt man an russische Vereine wie Dynamo Moskau oder Zenit St. Petersburg ab.

Nun scheint das Chaos die Kontrolle über Anzhi Makhachkala übernommen zu haben. Nicht nur der Spielerkader weist inzwischen eine enorm hohe Fluktuation auf, auch auf der Trainerposition hält es keinen der Kandidaten länger als ein paar Wochen. Die Situation geht sogar so weit, dass Weltmeister und Real-Madrid-Legende Roberto Carlos das Traineramt übernehmen muss. Doch auch er verweilt nicht lange an der Seitenline in Makhachkala. Auch er verlässt kurze Zeit später Russland und schließt sich Sivasspor in der Türkei an.

Die neue Ausrichtung, mit jungen Talenten zum Erfolg zu kommen, sollte sich nicht wirklich auszahlen. 2013/14 konnte man mit dem Erreichen der K.O.-Phase in der Euro-League nochmal einen Achtungserfolg erzielen, in der Premjer-Liga reichte es aber nicht mal mehr zum Klassenerhalt. Es gelang zwar der direkte Wiederaufstieg in der Folgesaison, jedoch sollte man in der obersten Spielklasse nie mehr über den zwölften Platz hinauskommen.

2016 hatte Suleiman Abusaidowitsch Kerimow schließlich endgültig das Interesse am Klub verloren und verkaufte ihn an den dagestanischen Geschäftsmann Osman Kadijew. Die finanziellen Probleme des Klubs wurden dadurch aber nicht gelöst, was soweit führte, dass man die Lizenzbedingungen des russischen Verbands nicht mehr erfüllen konnte. Anzhi Makhachkala musste zwangsweise den Abstieg in die dritte russische Liga antreten. Dort spielt man seitdem vor einer wahrlich trostlosen Kulisse. In dieser Saison saßen im Schnitt nicht mehr als 140 Zuschauer:innen in der 30.000 Plätze fassenden Anschi-Arena.

0 Kommentare zu “Investor – Schluss – Panik? Kapitel 2: Anzhi Makhachkala

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s