Frauenfußball hinkt beim Zuschauer*inneninteresse, vor Ort und in den Medien, den Männern immer noch weit hinterher. Doch warum ist das so? Und gibt es Lösungen?
Wie schon im Überblick zur Themenwoche dargestellt, muss der Frauenfußball rund 70 Jahre Rückstand auf den Männerfußball aufholen. Dies zeigt sich nicht nur an den Strukturen der Vereine und Verbände, der Zahl der Spielerinnen und dem gesellschaftlichem Stellenwert sondern insbesondere auch am Zuschauerinteresse.
So hatten die Spiele der Männer-Bundesliga 2019/20 bis zur Corona-Krise im Schnitt eine Zuschauer*innenzahl von 39.111, die Frauen-Bundesliga hingegen nur 912 Zuschauer*innen pro Spiel (Quelle: Statista). Doch wie macht man nun den Frauenfußball für mehr Zuschauer*innen interessanter?
Ein Problem ist hier schon einmal die unterschiedliche Geschwindigkeit zwischen Männer- und Frauenfußball, der dadurch weniger dynamisch und attraktiv wirkt. Laut dem Sportwissenschaftler Hans-Jürgen Tritschoks ist Frauenfußball um circa ein Drittel langsamer, als das männliche Pendant. Ein Umstand der ganz einfach den biologischen Gegebenheiten geschuldet ist. Durch die größere Muskelmasse sind die Männer in der Lage, schneller zu laufen, kraftvoller zu springen und stärker zu schießen. Wie groß dieser Unterschied ist, zeigen unter anderem Trainingsspiele von Frauen-Nationalmannschaften gegen Jugendmannschaften der Männer. Um sich für ein Spiel gegen Russland vorzubereiten, setzten etwa die Weltmeisterinnen der USA, 2017 ein Testspiel gegen die U15 des FC Dallas an. Sie verloren mit 5:2.
Hans-Jürgen Tritschoks sagt, auch die deutsche Nationalelf der Frauen hätte wohl keine Chance gegen ein männliches U16-Bundesligateam. Die größere Muskelmasse die Männer ab der Pubertät aufbauen, führt schon in diesem jungen Alter zu einem unfairen Vorteil gegenüber den Frauen.
Geringes Zuschauer*inneninteresse
Zu dem generell langsameren Spiel der Frauen kommt nun ein weiteres Problem hinzu. Wie an den geringen Zuschauerzahlen abzusehen ist, sehen nur wenige Menschen Frauenfußball live vor Ort. Die Mehrheit sieht ihn durch Übertragungen am Bildschirm. Und hier sind die Produktionsverhältnisse zwischen Frauen- und Männerfußball sehr unterschiedlich.
Männerfußball wird, aufgrund seiner besseren Vermarktung mit bedeutend mehr Kameras gefilmt, die Zuschauer bekommen so viel mehr dynamische Schnitte zwischen den einzelnen Einstellungen zu sehen. Außerdem gibt es mehr digitale Anzeigen, mehr Zeitlupen, mehr Vor- und Nachberichterstattung.
All dies führt für den Zuschauer zu einer gefühlt höheren Dynamik des Sporterlebnisses, im Gegensatz zu einer Übertragung eines Frauen-Fußballspiels. Das niedrigere Produktionsniveau ist auch verständlich. Schließlich lohnt es sich für die Sender am meisten, in eine Übertragung Geld zu investieren, wo das Zuschauer*inneninteresse am höchsten ist. Und zurzeit ist dies eben der Männerfußball.
Diese unterschiedlichen Stellungen des Frauen- und Männerfußballs haben sich aber nur dadurch zementiert, da Frauenfußball eben einen über 70-jährigen Rückstand aufholen muss. Dies wird ohne Hilfe auch von den Medienschaffenden jedoch schwer möglich sein. Somit sind hier auch die öffentlich-rechtlichen Sender gefordert, den Frauenfußball zu fördern.
Ein Teufelskreis
Dies führt logischerweise zu einem Teufelskreis. Da die Menschen den Frauenfußball als weniger dynamisch und spannend empfinden, sehen sie sich ihn auch weniger oft an. Durch das geringe Zuschauer*inneninteresse sinken die Investionen der Medienschaffenden in die Qualität der Übertragungen, was die Spiele am Ende noch weniger spannend wirken lässt und daher noch weniger Zuschauer*innen anspricht.
Angesprochen auf diese Unterschiede, äußern die meisten Fernsehproduzenten und Rechteinhaber, dass eine Kombination aus Marktkräften und dem „was die Zuschauer*innen sehen wollen“ dazu führt, dass generell weniger Frauenfußball gezeigt wird.
Die Professorin für Sportmanagement an der University of Massachusetts Janet S. Fink entgegnet, dass die Medienschaffenden eines vergessen, und zwar, dass der Konsum von Sport ein mediatisierter Prozess ist. Sprich, wie etwas kommuniziert wird durch die Medien und was von ihnen kommuniziert wird, hat alles Auswirkungen darauf, wie der/die Zuschauer*in die Sportübertragung schließlich wahrnimmt.
Das heißt, die Medienschaffenden reagieren nicht nur auf das „was die Zuschauer*innen sehen wollen“, sondern ihre Entscheidungen wie sie Sportübertragungen senden, führen erst dazu, dass diese sich eine Meinung bilden können, wie sie diese Sportübertragungen sehen wollen.
Die Medien können also nicht nur auf den Markt und die Wünsche der Zuschauer*innen verweisen, sondern sie tragen selbst zu der allgemeinen Entwicklung von Ungleichheit in den Übertragungen von Frauen- und Männersport bei.
Positive Signale aus England
In England haben sich nun die öffentlich-rechtliche BBC und der Privatsender Sky umfangreiche TV-Rechte an der FA Women’s Super League, der höchsten Spielklasse der Frauen, gesichert. Pro Saison zahlen die Rechteinhaber nun 10 Millionen Euro. Eine Winzigkeit gegenüber den fast 1,5 Milliarden Pfund, die die Premier League pro Saison für ihre TV-Rechte kassiert. Im Frauenfußball gleicht es jedoch einer kleinen Revolution.
„Das ist ein absoluter Meilenstein…“
Bianca Rech
Sportdirektorin FC Bayern München
Die BBC zeigt 22 Partien, Sky hat bis zu 44 Spiele zugesagt, die teils zur besten Sendezeit ausgestrahlt werden und so den Frauenfußball in England attraktiver machen werden.
„Da kann man nur neidisch werden. Das ist ein absoluter Meilenstein und es gibt so etwas bislang nicht im Frauenfußball. Die englischen Clubs werden eine riesige Sichtbarkeit erlangen und das bedeutet, dass wir in Deutschland noch weiter hinterherhinken werden.“, sagte Bianca Rech, Sportdirektorin der Fußballerinnen des FC Bayern Münchens, gegenüber dem NDR.
Die FA setzt mit dieser TV-Rechtevergabe einen weiteren Punkt aus ihrem Gameplan for Growth um. Diese 2015 implementierte Wachstumsstrategie soll dazu dienen, den Frauenfußball auf der Insel zu stärken und attraktiver zu machen, sowohl für die Spielerinnen und auch für die Zuschauer*innen.
Der Plan scheint gut zu funktionieren, schließlich gilt die Womens Super League inzwischen als die erste und einzige Frauen-Profiliga in ganz Europa. Man hat auch in Infrastruktur und Vermarktung investiert, was sich nun auszuzahlen scheint. In Deutschland geht die Entwicklung dagegen nur schleppend voran.
Lage in Deutschland
Den sportlichen Leiter beim VfL Wolfsburg, Ralf Kellermann, stört dieser Umstand enorm. „Wir brauchen eine vernünftige Infrastruktur, vernünftiges Flutlicht, Medienarbeitsplätze und vieles mehr. Nur dann können wir unser Produkt auch so präsentieren und vermarkten, dass die Fernsehanstalten Geschmack daran finden.“
Derzeit bekommen die Bundesligisten durch die Vermarktung gerade einmal 300.000 Euro pro Saison, was nur etwas mehr als ein Drittel davon ist, was zukünftig die englische Konkurrenz erhält. Die deutschen Bundesligisten fordern nun hier eine Verbesserung durch den DFB um mit der internationalen Konkurrenz mithalten zu können.
FCB-Sportdirektorin Bianca Rech sagt aber: „Wirklich passieren tut leider nichts. Jedoch ist nicht nur der DFB gefordert. Es sind ja auch Fernsehverträge geschlossen wurden. Die, die Rechte eingekauft haben, müssen dafür sorgen, dass sie uns auch zeigen, uns Sichtbarkeit geben. Und letztendlich müssen auch alle Clubs dazu beitragen, dass die Liga attraktiver wird.“
Vielleicht liegt auch ein Problem in den ständigen Vergleichen.
Ich sehe den Frauenfußball als eine eigenständige Sportart, die ich allerdings ungern schaue. Zum Teil aus von Dir genannten Gründen.
Beim Verband müßte man sich auch einmal eingestehen, daß die Entwicklung mit den Standorten, angelehnt an die Männer- Bundesligisten und deren Portokassen, ein Schuß in den Ofen gewesen ist.
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