Zum Beginn der Themenwoche „Frauen im Fußball“ durften wir mit der Sportjournalistin und Moderatorin Kristina Inhof (32) sprechen. Sie erzählt über ihren Werdegang in der Medienbranche, welchen Herausforderungen sich Frauen dort stellen müssen und ihre Gedanken für mehr Gleichstellung. Außerdem verrät sie, warum Thierry Henry der wohl charmanteste Interviewpartner ist.
Kristina, wie bekommt man denn heutzutage aus Profispieler*innen noch etwas heraus? Meist sind die durch Medientrainings etc. ja inzwischen recht schwer zu knacken.
Das ist tatsächlich eine gute Frage. Es ist eine ziemliche Herausforderung, weil viele von ihren Vereinen schon Medientrainings bekommen haben. Außerdem passen die Sportler heutzutage sehr darauf auf was sie sagen, weil alles sofort gegen sie verwendet werden kann. Wenn man als Spieler etwas Kontroverses sagt, hat man sofort eine Schlagzeile und es landet auf Social-Media. Dann kann es auch schnell passieren, dass man einen Shitstorm generiert. Deswegen passen die meisten sehr gut auf, was sie sagen.
Meiner Meinung nach ist es für uns als Reporter der beste Zugang, Verständnis für die teilweise auch schwierige Situation eines Sportlers zu zeigen. Das heißt, wenn ich über eine heikle Situation reden muss, wie etwa ein Gegentor zustande gekommen ist, dann versuche ich immer die Frage sehr verständnisvoll zu formulieren und mich vorsichtig heranzutasten. Man muss ja bedenken: Auch ein Sportler ist nur ein Mensch, dem einmal Fehler passieren können und der einmal einen schlechten Tag haben kann. Sich dann vor einer Kamera einer kritischen Frage zu stellen, ist natürlich für den Spieler auch schwierig. Aus diesem Grund versuche ich mich eher auf der menschlichen, emphatischen und versöhnlichen Ebene diesem Thema zu nähern.
Du hast in einem Interview gesagt, dass dein Gespräch mit Thierry Henry dein bislang bestes Interview war. Was hat es so besonders gemacht?
Thierry Henry hat mich bei der EM 2016 sehr überrascht, weil er so absolut am Boden geblieben ist. Er ist zu unserem Fernsehteam gekommen und hat erst einmal jedem einzelnen die Hand geschüttelt. Normalerweise ist es ja so, dass so ein internationaler Fußballstar überhaupt nicht die Zeit dazu hat, sich bei allen persönlich vorzustellen. Der kommt zum Interview, beantwortet ein paar Fragen und geht wieder. Henry dagegen kam wirklich zu unserem Kameramann, zum Tontechniker, zu unserer Assistentin und hat sie mit Handschlag begrüßt und gefragt wie sie heißen. Also total nett und am Boden geblieben. Es war sogar so, dass wir wegen eines technischen Fehlers das Interview nach zwei Minuten noch einmal starten mussten und Henry war total entspannt und hat einfach gesagt „Naja, dann fangen wir halt nochmal an.“ Das hat mich schon sehr beeindruckt.
Du hast einmal davon gesprochen, dass die Spieler sich dir gegenüber in Interviews anders verhalten, weil du eine Frau bist. Wie macht sich das bemerkbar?
Ich bemerke das manchmal, wenn ich bei einem Interview eines männlichen Kollegen zuhöre. Wenn der das Interview dann in eine locker-leichte und freundschaftliche Ebene hineinführt, wird das schnell eine Art „Männergespräch“. Da merkt man dann schon, dass die Fußballer eher einmal einen Spruch raushauen als sie es bei uns Frauen als Interviewpartner tun würden. Andererseits glaube ich, dass wir Frauen bei den Interviews dafür besser die emotionale Ebene treffen können.
Am Bildschirm selbst sieht man ja nur einen Bruchteil deiner Arbeit. Wie viel Vorbereitung und Arbeit steckt in dem Job als Sportmoderatorin bevor überhaupt die Kameras angehen?
Wenn ich ein Live-Spiel moderiere, nutze ich einen ganzen Vorbereitungstag davor, um viel Recherchearbeit zu erledigen und am Tag des Spiels steht natürlich auch noch einmal Vorbereitung an, die ein einige Stunden dauern kann. Bei uns Frauen geht dann noch eine Stunde für die Zeit in der Maske drauf und danach folgt die Arbeit im Studio/Stadion vor der Kamera, um das zu vollenden, was man in der Zeit zuvor vorbereitet hat. Für mich ist Vorbereitung wirklich mehr als die halbe Miete. Nur wenn ich wirklich gut vorbereitet bin, fühle ich mich sicher genug. Ich würde nie nur mit einer halben Vorbereitung in eine Sendung gehen.
„…in den Zeitungsredaktionen Österreichs … hat sich der Frauenanteil gefühlt überhaupt nicht verändert“
Die nächste Frage haben wir absichtlich umformuliert, weil sie Frauen in der Fußballbranche dermaßen häufig gestellt wird. Wie oft wirst du denn darauf angesprochen, wie es ist, als Frau in der Männerdomäne Fußball zu arbeiten? Nervt diese Frage inzwischen?
Diese Frage kommt tatsächlich in sehr vielen Interviews! Das war von Beginn an so und es wird sich möglicherweise erst dann ändern, wenn so viele Frauen in diesem Bereich tätig sind, dass es zur Normalität geworden ist und diese Frage ganz einfach nicht mehr gestellt werden muss. Ich glaube, dass der ORF diesbezüglich eine Vorreiterrolle in Österreich hat, weil er beim Frauenanteil in den Sportredaktionen in den letzten Jahren sehr viel getan hat und dies auch sichtbar nach außen gemacht hat. Wenn man sich im Gegensatz dazu die Situation in den Zeitungsredaktionen Österreichs ansieht, dort hat sich der Frauenanteil gefühlt überhaupt nicht verändert. Das merke ich beim ORF also schon sehr, dass hier viel getan wird und Frauen gefördert werden. In meinen Augen arbeiten Frauen im Sport genauso gut wie ihre männlichen Kollegen. Ich hoffe, dass wir mit dem ORF hier als gutes Beispiel dienen können, damit sich diese Frage der Frauen in einer Männerdomäne bald erübrigen wird.
Fühlt man sich, solange diese Ungleichheit zwischen Frauen und Männern in der Sportbranche noch besteht, in einer Vorbildrolle für Frauen und Mädchen? Oder versucht man das eher von sich fernzuhalten, um sich selber keinen Druck zu machen?
Druck verspüre ich nicht und ich habe auch nie welchen verspürt, auch wenn ich als Frau in der Minderheit war. Sagen wir so, ich habe nie den Druck verspürt als Vorbild zu dienen, sondern habe eher selbst hohe Ansprüche an mich, eine gewisse Kompetenz an den Tag zu legen. Aber diese Anforderungen stelle ich nicht nur im Sportbereich an mich, sondern auch bei der Moderation einer Unterhaltungsshow wie zum Beispiel Dancing Stars. Ich möchte einfach gute Arbeit abliefern und im Sport das selbe Kompetenz-Level halten können wie andere KollegInnen. Es kommt von außen jetzt kein Druck, dass wir Frauen irgendeine Art von Aufholbedarf den Männern gegenüber hätten.
Der Job als Social-Media-Beauftragte bei Puls4 war damals dein Einstieg ins Fußballbusiness. Du hast selbst einmal erwähnt, dass du dich dort in die Rolle des „hübschen Beiwagerls“ hast drängen lassen. Wie kam es dazu und war das notwendig, um überhaupt einen Fuß in die Tür des Fußballbusiness zu bekommen?
Es war bei Puls4 eine tolle Möglichkeit für mich und ich würde rückblickend alles wieder so machen. Ich habe mich in diesen drei Jahren, die ich bei Puls4 gearbeitet habe, auch selbst sehr weiterentwickelt. Zu Beginn habe ich wahrscheinlich zu sehr die Rolle des netten hübschen Mädchens in der Sendung übernommen. Mit der Zeit habe ich aber schnell bemerkt, dass man beim Sport viel mehr sein muss als nur eine nett anzusehende Persönlichkeit. Es ist schon wichtig, dass man mit Kompetenz und Inhalt punktet. Ich bekam bei Puls4 die Möglichkeit mich zu entwickeln und denke, dass ich diese genutzt habe, sonst wären danach nicht Stationen wie Sky-Sport-News-HD und der ORF gekommen.
Im Doppelpass gibt es diese Rolle der hübschen jungen Frau als Social-Media-Beauftragte immer noch. Hast du das Gefühl, dass Frauen in solchen Sendungen immer noch instrumentalisiert werden?
Beim Doppelpass ist es vielleicht etwas augenscheinlicher, aber es gibt inzwischen viele Sender, die Frauen als Hauptmoderatorinnen einsetzen, sowohl in Deutschland als auch in Österreich.
„Wenn es mehr Interessentinnen gäbe, würde die Gleichstellung noch schneller vonstatten gehen.“
Ganz allgemein gefragt: Bewegt sich die Branche beim Thema Gleichstellung in eine gute Richtung?
Es könnte auf jeden Fall eine Spur schneller gehen, das ist klar. Aber ich freue mich immer über alle Frauen, die in diese Rolle auch hineinwachsen wollen. Wir haben beispielsweise beim ORF viele Praktikantinnen, die sehr intelligente, junge Frauen sind, die schon etwas in diese Richtung studieren und ein wirklich gutes Gespür für den Sport haben. Wir sehen also schon, dass da viel Nachwuchs kommt. Ich würde mich aber freuen, wenn es noch mehr werden. Wenn es also mehr Interessentinnen gäbe, würde die Gleichstellung noch schneller vonstatten gehen.
Was wären da deine Vorschläge, um mehr Interessentinnen für eine Karriere in diesem Bereich zu begeistern?
Mit mehr Sichtbarkeit des Frauenfußballs, etwa im Fernsehen und auch den Vorbildern im Nationalteam wird es immer selbstverständlicher, dass manche Mädchen gerne Fußball spielen, während andere gerne zum Ballett oder Tanzen gehen. Umso sichtbarer Frauen im Sport und speziell im Fußball werden, und hier leistet der ORF meiner Meinung nach einen großen Beitrag, umso besser und schneller wird dieser Prozess auch vonstatten gehen.
Wenn man als junge Frau gerne deinen Job ausüben möchte, welchen Weg würdest du da empfehlen?
Ich glaube, da gibt es zwei Wege. Einerseits gibt es Menschen, die haben sehr früh eine genaue Vision von dem, was sie machen möchten. Das war zum Beispiel bei mir der Fall. Es gibt aber auch diejenigen, die durch Zufälle zu diesem Beruf kommen. Die hatten davor eben keinen konkreten Plan, probieren ein bisschen rum und werden dann durch Zufall vor die Kamera gestellt. Es gibt also nicht den einen Weg, um SportjournalistIn oder SportmoderatorIn zu werden. Ich denke es ist wichtig, dass man mal hinhört und sich überlegt, was macht einem Spaß, wo arbeitet man wirklich gerne? Ich empfehle früh darauf zu achten, welche Leidenschaften man hat und in diesem Bereich Ausbildungen zu machen. Außerdem ist es mindestens genauso wichtig, dass man eine Person hat, die felsenfest an einen glaubt, die einen unterstützt, weil der Weg zur Verwirklichung der Träume nie geradlinig und einfach ist. Es wird immer wieder Rückschläge geben und wenn man dann eine Person hat, die einen immer wieder auffängt und Mut zuspricht, dann kann man viel erreichen.
Du moderierst ja auch Unterhaltungsshows wie etwa Dancing Stars. Wie unterscheidet sich das Arbeiten hier im Gegensatz zum Sportbereich und gibt es auch Gemeinsamkeiten?
Die größte Gemeinsamkeit sind ganz klar die Emotionen. Für mich zählt auch der Sport zum Unterhaltungsbereich. Man setzt sich ja vor den Fernseher oder geht ins Stadion, um unterhalten zu werden, um mitzufiebern und ein tolles Sporterlebnis zu genießen. Da geht es auch um die großen Gefühle und das hat man in beiden Bereichen, also sowohl im Sport als auch in der klassischen Unterhaltung. Deswegen fühle ich mich auch so wohl in beiden Bereichen, egal ob ich jetzt bei Dancing Stars ein Glitzerkleid anhabe oder in Jeans, T-Shirt und Sneakers auf einem Fußballplatz stehe. Es ist beides für mich ein ganz toller Arbeitsbereich. Die Emotionen und der Unterhaltungswert sind am Ende die große Gemeinsamkeit.
Zum Thema Glitzerkleid: Gerade in den sozialen Medien ist das Aussehen von Moderatorinnen viel öfter ein Thema als bei Moderatoren. Wie gehst du damit um?
Ich denke schon, dass bei Frauen im Fernsehen mehr auf die Optik geachtet wird. Es ist zwar sehr oberflächlich, aber für mich ist diese Fernsehwelt auch mein Job. Meinen Privatbereich grenze ich daher klar ab. Ich definiere mich als Person jetzt nicht durch mein Auftreten im Fernsehen. Diese Oberflächlichkeit bleibt im Beruf und privat bin ich einfach nur die Kristina. Deswegen nehme ich mir Meldungen aus den sozialen Netzwerken auch nicht so zu Herzen.
„Mit konstruktiver Kritik kann ich gut leben aber Beschimpfungen unter der Gürtellinie nehme ich nicht ernst.“
Es lässt dich also komplett kalt, wenn du auch mal wirklich blöde Kommentare auf Social-Media bekommst?
Ein richtiger Shitstorm ist bei mir Gottseidank noch nie passiert. Ich lese aber immer wieder unter meinen Fotos Kommentare wie: „Außer schön sein kann sie nichts“, „Die ist nur dumm“ etc. Auch auf den ORF wird da viel geschimpft. Aber ich nehme solche Kommentare nicht ernst, denn ich weiß, dass im Moment sehr viele Menschen unzufrieden sind mit der Gesamtsituation und ihren Frust im Internet rauslassen. Mit konstruktiver Kritik kann ich gut leben, aber Beschimpfungen unter der Gürtellinie nehme ich nicht ernst.
Zum Abschluss: Du hast einmal erwähnt, dass wenn es so etwas wie „das schlimmste Interview“ in deiner Karriere gegeben hat, dann war es wohl das mit Rapid-Torhüter Richard Strebinger. Was ist da passiert?
Das Interview ist in meinem zweiten Jahr beim ORF passiert, da war ich selbst auch noch etwas übermotiviert. Ich habe ihn gleich am Anfang des Interviews auf einen Fehler angesprochen und manche Sportler reagieren da sehr sensibel darauf. Ich weiß gar nicht mehr, was genau ich gefragt habe, er hat mir dann nur entgegnet: „Was ist das für eine blöde Frage!“ Da war ich dann auch kurz irritiert. Ich habe aber dazugelernt, nicht gleich am Anfang eines Interviews die heiklen Dinge anzusprechen, sondern eine „softe Anfangsfrage“ zu stellen, damit man überhaupt einmal in das Gespräch kommt und sich langsam zu den kritischeren Fragen vorzutasten kann.
Bild: ORF
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