Die Spuck-Attacke von Marcus Thuram, der vermeintliche „Afghanen“ – Sager gegenüber Leverkusens Amiri. Nur zwei Beispiele der letzten Wochen, die dem Fair-Play Gedanken und der Vorbildfunktion im Fußball ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Wie man in anderen Sportarten „Sportsmanship“ lebt und was der Fußball selbst dazu beitragen kann. Kommentar von Lukas Salfinger
Das Spiel Union Berlin gegen Bayer Leverkusen war nicht nur wegen des angesprochenen Eklats rund um Nadiem Amiri eine äußerst unschöne Episode. Die Worte, wenn sie so gefallen sind, sind natürlich aufs Schärfste zu verurteilen und sollten auch dementsprechend sanktioniert werden. Was aber ebenfalls in diesem Spiel negativ auffiel, war das Vokabular, dass man dank der leeren Stadien hören konnte. Die Sprache, die die 22 Spieler untereinander pflegten, hatte teilweise ein Niveau, dass man sonst nur von RTL-Dokusoaps kennt. Begriffe wie „Hurensohn“ oder Ausdrucksweisen wie „Wir sind hier immer noch in Deutschland“ waren zu hören.
Dass im Profisport die nötige Portion Emotionalität und damit eine gewisse Ausdrucksweise dazugehört, will ja niemand verneinen. Dennoch könnte man sich mal bei anderen Sportarten, die generelle Grundhaltung beim Thema Fair-Play ansehen. Dazu stellen wir ein Beispiel aus dem Fußball dem Tennis gegenüber.
Man erinnere sich an eine Szene aus dem Oktober 2014. Der damalige Bremer Aaron Hunt wird von Nürnbergs Pinola im Strafraum bedrängt und kommt zu Fall. Schiedsrichter Manuel Gräfe zeigt sofort auf den Punkt. Doch Hunt steht sofort auf und erklärt Gräfe, dass es keinen Kontakt gab, dieser lässt sich überzeugen und nimmt den Strafstoß zurück. Aaron Hunt wurde tagelang für seine Ehrlichkeit gefeiert, obwohl es zu dem Zeitpunkt schon 2:0 für Bremen stand, der Verzicht auf den Elfmeter also keineswegs spielentscheidend war.
Sieht man sich ähnliche Szenen aus dem Tennis an, bemerkt man, dass es hier eine absolute Selbstverständlichkeit ist, auf seinen eigenen Vorteil zu verzichten, um auf eine Fehlentscheidung hinzuweisen. Dort gibt es dann kurzen Applaus von Gegner und Publikum, für die faire Geste. Niemand würde jedoch auf die Idee kommen, eine derartige Szene tagelang zu feiern.
Um beim Beispiel Tennis zu bleiben. Dort gilt der Australier Nick Kyrgios als das derzeit größte Enfant terrible. Erworben hat er sich diesen Titel mit Skandalen für die man im Fußball wohl nicht einmal eine Zeitlupe opfern würde. 2019, beim Turnier in Rom, gibt Kyrgios sein Aufschlagsspiel leichtfertig her und tritt auf eine Trinkflasche ein. Als er schließlich auch noch einen Stuhl auf das Spielfeld pfeffert, wird er umgehend disqualifiziert, von den Tennismedien wird er quasi zerissen.
Ähnliche Szenen auch beim Spiel des BVB gegen Union Berlin. Mats Hummels stapft stinksauer, nach der 2:1 Niederlage, Richtung Interview. Ein kurzer Blick genügt, um die Sponsorenwand als perfektes Objekt zum Frustabbau zu identifizieren. Hummels drischt mit voller Wucht auf die Glasscheibe und stellt sich dann den Fragen der Reporter.
Hummels musste keinerlei Konsequenzen fürchten, geschweige denn sich negative Medienberichte zu seinem Ausraster anhören. Natürlich wäre es noch einmal eine andere Story geworden, wenn Hummels die Sponsorenwand umgeworfen hätte, so ist sein Ausraster natürlich nicht mit dem von Kyrgios 1:1 gleichzusetzen. Trotzdem ist es interessant zu sehen, dass sein Schlag und seine emotionale Reaktion sogar noch gelobt wurden, stellt sie in diesen Tagen doch einen krassen Gegensatz zum eher phlegmatisch spielenden BVB dar.
Ebenfalls klar ist, das man Tennis und Fußball unterscheiden muss. Schon rein von der Emotionalität und der Dynamik, vor allem in Gruppen, sind die beiden Sportarten schwer zu vergleichen. Trotzdem machen diese Beispiele deutlich, dass die Fußballprofis sich ihrer Vorbildfunktion durchaus mehr bewusst werden könnten. Leverkusens Kerem Demirbay sagte etwa nach dem Union-Spiel den spannenden Satz: „Was auf dem Platz ist, bleibt auf dem Platz.“ Wenn man aber in einer Liga spielt, bei dem in jedem Spiel 30 Fernsehkameras und 50 Mikrofone auf einen gerichtet sind, dann bleibt was auf dem Platz passiert, eben nicht auf dem Platz, sondern gelangt in die Köpfe von zehn Millionen Fußballfans.
Und hier sollte man ansetzen, denn wenn man als zehnjähriger Nachwuchskicker seine großen Idole in der Bundesliga Dinge wie „Hurensohn“ brüllen hört, fällt es schwer, diesen Kindern klarzumachen, dass man sich auf dem Fußballplatz eigentlich mit Respekt und Sportsgeist gegenüberstehen sollte.
Man muss jetzt nicht sofort einen Maulkorb für die gesamte Bundesliga fordern, jedoch wäre es schon eine Verbesserung, dass ein derartiger Umgangston wie beim Leverkusen-Union-Spiel nicht mehr einfach so hingenommen wird. Und dazu sollte es keine rassistischen Entgleisungen brauchen, um eine Reaktion in den Medien hervorzurufen. Genauso könnte man an darüber nachdenken ob die Profis nicht eine Art Benimmkodex vom DFB zumindest vorgelegt bekommen, an dem die Fans und Medien die Spieler dann auch messen können. Denn Lucas Vogelsang hat es im Podcast Fussball MML gut auf den Punkt gebracht, sollte sich an dem derzeitigen Umgangston nichts ändern, könnte bei einigen Profis eventuell der Eindruck entstehen, dass sie nichts anderes sind als „Assis mit Millionenverträgen“.
Der Fußball sollte also wieder mehr in die Richtung gehen, dass Fair-Play im Spiel keine denkwürdige Ausnahme darstellt, sondern als Selbstverständlichkeit gelebt wird. Dazu gehört auch, dass sich die Profis ihrer Verantwortung als öffentliche Personen auf und neben dem Platz bewusst werden. „Vorbilder mit Millionenverträgen“ klingt schließlich auch besser.
D’accord. Allerdings gehört „Hurensohn“ zu meinem Sprachgebrauch, finde das jetzt auch nicht verwerflich.
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