Nostalgie

Warum der Fußball in Irland lange abgelehnt wurde

Fußball und Irland? Das war lange Zeit eine schwierige Beziehung. Vom Nationalismus der Ir*innen, von der Regel 27 und vom Helden David O’Leary bei der WM 1990.

Fußball und Irland? Das war lange Zeit eine schwierige Beziehung. Vom Nationalismus der Ir*innen, von der Regel 27 und vom Helden David O’Leary bei der WM 1990.

„The nation holds his breath.“ Mit diesen Worten des irischen Fernseh-Kommentators beschreitet David O’Leary den langen Weg vom Mittelkreis bis zum Elfmeterpunkt. Er soll den entscheidenden Elfer machen und die Republik Irland zum größten Erfolg ihrer Fußball-Geschichte schießen. 

Es ist die Weltmeisterschaft 1990 in Italien. Irland hatte sich zum allerersten Mal für eine WM qualifiziert – und die sollte „das größte Sportfestival werden, dass dieses Land je erlebt hat“, wie es auf der offiziellen Website des Irischen Fußballverbands heißt.

Zwei Jahre zuvor durften die Iren schon bei der Europameisterschaft in Deutschland mitspielen, ebenfalls zum ersten Mal. Trainer Jack Charlton ließ zu Beginn seiner Amtszeit einen Ahnenforscher einstellen, um englische Spieler mit irischen Wurzeln zu finden. Charlton wollte die fußballerisch spätpubertierenden Iren endlich zu internationalem Erfolg führen. ´88 war in der Gruppenphase aber Schluss. Gegen die beiden späteren Finalisten, die Niederlande und die damalige UdSSR, hatte Irland keine Chance. 

Auch bei der WM in Italien hatte es der Underdog nicht leicht. In Gruppe F wartete neben Ägypten erneut der amtierende Europameister aus den Niederlanden. Dazu kamen die Nachbarn aus England, die am Ende Vierter wurden.

Während England als Gruppensieger ins Achtelfinale einzog, war Irland nach drei Unentschieden aus drei Spielen Punkt- und Torgleich mit den Niederlanden. Das Los musste entscheiden, Irland hatten Glück und zog so ins Achtelfinale ein. 

Und dann kam David O’Leary, der nach torlosen 120 Minuten gegen Rumänien den letzten und entscheidenden Elfmeter der Iren verwandeln sollte. Und es war eigentlich ein schlecht geschossener Elfer, halbhoch, unplatziert – doch bei den irischen Fans hinter dem Tor brach unendlicher Jubel aus. 

Fans buchen Last-Minute-Flüge

Viele von ihnen hatten sich während der Vorrundenspiele gar nicht so sehr für das Nationalteam interessiert. Als sich die Iren aber für das Achtelfinale qualifizierten, war der Andrang auf Karten riesig, viele Fans hatten Last-Minute-Tickets nach Italien gebucht. 

Und auch zuhause in Irland war die Begeisterung groß. Die Ir*innen dekorierten Autos und Häuser mit Flaggen oder änderten Arbeitszeiten, damit jede*r die Spiele sehen konnte. Während der Spieltage waren die Straßen quasi leergefegt. Dass Irland im Viertelfinale 0:1 gegen Gastgeber Italien verlor, war dann eigentlich egal. 400.000 Ir*innen feierten die Rückkehr ihrer Helden am Flughafen von Dublin und während ihres Siegeszuges durch die Stadt. 

Die Regel 27

Fußball machte da schließlich den Schritt zum irischen Volkssport, nachdem er zuvor gegen Widerstände kämpfen musste. Denn viele Ir*innen wehrten sich lange aus nationalistischen Gründen gegen den englischen Sport. Das mündete in der „Regel 27“. Eine Regel, die die Entwicklung des irischen Fußballs massiv hemmte.

Die „Regel 27“, auch genannt „Ban-Rule“, war ein Verbot, das die Gaelic Athletic Association (GAA) 1905 in Kraft setzte. Sie verbot allen Mitglieder*innen der GAA sogenannte „foreign“, also „fremde“ Sportarten auszuüben oder ein Spiel solcher Sportarten zu besuchen. „Fremd“ war vor allem englischer Sport wie Rugby, Hockey, Handball – oder Fußball. Laut dem offiziellen Paragraphen war jedes „importierte Spiel verboten, das unseren nationalen Freizeitbeschäftigungen schädigt“. 

Sport und Politik

Irland wollte sich damit gegen die zunehmende Anglisierung wehren. Für die GAA, den mit Abstand größten Sportverband Irlands, waren Sport, Kultur und Politik eng miteinander verbunden. Der erste irische Präsident Douglas Hyde war Schirmherr der GAA, also ein großer Unterstützer. Und auch die Kirche befürwortete die Ideologie des Verbandes. 

Der Fußball hatte somit große Probleme, Anhänger in Irland zu finden. Denn unter dem Dach der GAA wird unter anderem Gaelic Football und Hurling gespielt, die heute noch beliebtesten Sportarten Irlands. Etwa 500.000 Mitglieder*innen hat die GAA aktuell – bei knapp fünf Millionen Einwohner*innen in Irland.

Das Ende der Regel

Damit sich die Mitglieder*innen auch wirklich an die „Regel 27“ hielten, schickte die GAA Spion*innen zu Fußball- oder Rugby-Spielen. Das führte zum Beispiel dazu, dass Liam Brady, ein ehemaliger irischer Fußballer und Trainer, von der Schule flog, weil er in einem U-15-Fußballländerspiel für Irland auflief. Oder sogar zum Ausschluss von Präsident Douglas Hyde, nachdem er 1938 ein Länderspiel besuchte. 

Mit der 1966 in England ausgetragenen Weltmeisterschaft, die komplett im irischen TV zu sehen war, wuchs das Interesse am Fußball in Irland. In der Folge wurde viel über die „Regel 27“ diskutiert, bis sie 1971 schließlich abgeschafft wurde. Dann netzte David O’Leary ein – der Durchbruch für den Fußball in Irland.

2 Kommentare zu “Warum der Fußball in Irland lange abgelehnt wurde

  1. In dem Kontext vielleicht auch ganz interessant ist „The Bloodied Field“. Quasi eine Geschichtsstunde anhand eines Massaker bei einem Gaelic Football Spiel. Als Buch oder auch in groben Zügen als Podcast:
    The Bloodied Field Podcast https://officialgaa.podbean.com/e/introducing-the-bloodied-field-podcast/

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