Fußball-Alltag in Portugal
Die Gerichtsverhandlung gegen den Whistleblower Rui Pinto (Football Leaks), wirft nicht nur ein fahles Licht auf den gesamten Fußball, sondern auch insbesondere auf den portugiesischen. Gegen die Fußballlandschaft seiner Heimat hat Pinto wenig Positives übrig. Korruption, Bestechung und Gewalt bestimmen dort inzwischen den Fußball-Alltag.
Auf den ersten Blick scheint der Fußball in Portugal hervorragend zu funktionieren. Für ein kleines Land von gerade einmal 10 Millionen Einwohnern, hat man eine respektable Liga vorzuweisen. Vereine wie Benfica, Porto und Sporting sind regelmäßige Teilnehmer in der Champions League. Die Nationalmannschaft ist amtierender Europa- und Nations-League Meister (wie viel dieser Titel wert ist, soll an anderer Stelle diskutiert werden). Und mit ihrem Kapitän Cristiano Ronaldo, hat das Land einen der besten Spieler aller Zeiten in ihren Reihen. Die Fassade des portugiesischen Fußballs glänzt scheinbar im schönsten Licht. Doch ein Blick dahinter zeigt mehr als erhebliche Risse.
Ein Riss dieser schönen Fassade trägt den formschönen Namen Caso dos mails. Benfica Lissabon beschuldigt hier den Rivalen FC Porto, dass diese mithilfe von Whistleblower Rui Pinto vertrauliche Mails abgefangen hätten. Deren Inhalt ist aber das eigentlich Interessante an der Caso dos mails. Denn darin soll dokumentiert sein, wie Benfica das Schiedsrichterwesen in Portugal kontrolliert.
Unterstützt werden diese Vorwürfe auch von Aussagen wie jene von Marco Ferreira, einem ehemaligen FIFA-Schiedsrichter. Dieser berichtet davon, dass er vor Benfica-Spielen immer einen besonders eindringlichen Anruf seines Chefs bekam. Ferreira ließ sich davon anscheinend nicht beeindrucken und pfiff weiter unbeeinflusst. Die Quittung seiner Einstellung waren schwache Bewertungen durch die Schiedsrichterbeobachter und die damit einhergehende Versetzung in die zweite Liga.
Einer der für die Versetzung von Ferreira verantwortlichen Schiedsrichterbeobachter, arbeitete hauptberuflich an einem Gericht und ist aus diesem Grund nun einer der Beschuldigten im nächsten Benfica-Skandal. Der Klub soll nämlich die Justiz unterwandert haben und so vor drohenden Anklagen im Voraus Bescheid gewusst haben.
Rui Pinto beschreibt den Klub in diesem Zusammenhang folgendermaßen:
„Der ist wie ein Krake, dessen Arme überall in die Elite des Landes hineinreichen. Der Klub ist so eng mit der Polizei, den Strafverfolgungsbehörden und der Politik verbunden. Die bekommen regelmäßig VIP-Tickets für Benfica-Spiele geschenkt. Es wäre ein riesiger Interessenkonflikt, wenn sie den Verein einmal ernsthaft untersuchen müssten.“
Es fällt schwer Pintos Anmerkungen etwas entgegenzusetzen, wenn etwa im Jänner dieses Jahres festgestellt wurde, dass der zuständige Richter des Verfahrens langjähriger Benfica-Fan ist. Der FC Porto legte deswegen auch Berufung ein, wurde jedoch abgewiesen. Begründung war, dass das Herz des Richters seine Vernunft nicht beeinträchtigen würde und jegliche Nähe zum Verein seine Unparteilichkeit, wenn dann nur minimal beeinträchtigen würde. Der FC Porto hat auch gegen diese Entscheidung erneut Berufung eingelegt.
Aber auch dieser Großverein ist nicht frei von Makeln. Seit bald 50 Jahren ist dort Jorge Nuno Pinto da Costa Präsident des Vereins. In Portugal auch als „Papst von Porto“ bekannt. Gänzlich unchristlich sind aber die Vorwürfe, die gegen ihn in der Vergangenheit erhoben wurden. So wurde er angeklagt Schiedsrichter mit teuren Geschenken und Prostituierten bestochen zu haben. Auch seine Ex-Freundin thematisiert diesen Umstand in ihrem Buch. Geschadet hat es da Costa anscheinend nicht, er wurde letztlich freigesprochen.
Die Vorwürfe ihm gegenüber, dürften aber Benfica geholfen haben seine Methode der Schiedsrichterbestechung zu übernehmen, die ihnen jetzt auch von der Justiz vorgeworfen werden.
Schiedsrichterbestechung, Korruption bis hinein in staatliche Institutionen, sollten sich all diese Vorwürfe gegenüber Benfica bewahrheiten, drohen dem Verein katastrophale Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft fordert einen Ausschluss aus dem Spielbetrieb von sechs Monaten bis zu drei Jahren. Eine derartige Strafe, käme im heutigen Profigeschäft der praktischen Vernichtung des Vereins gleich.
Aber auch der dritte große Verein in Portugal bleibt in dieser unrühmlichen Aufzählung nicht verschont. Sporting Lissabon hatte in den letzten Jahren ebenfalls mit erheblichen Negativschlagzeilen zu kämpfen. Ein Umstand an dem der Verein und hier vor allem der ehemalige Präsident Bruno de Carvalho, durchaus eine Mitschuld trägt. Die Grün-Weißen kämpfen seit mehreren Jahren gegen eine außer Kontrolle geratene Fan-Szene. Vor zwei Jahren eskalierte die Situation dann aber in einem unvorstellbaren Ausmaß.
Am 15. Mai 2018 hatten sich die Sporting-Profis gerade in der Kabine versammelt, um sich für das anstehende Pokalfinale zu trainieren, die letzte Chance eine verkorkste Saison noch mit einem Titel zu retten. Schließlich war man in der Europa League schon gegen Atletico Madrid ausgeschieden und die Champions League Plätze verpasste man am allerletzten Spieltag, durch eine mehr als vermeidbare Niederlage gegen Maritimo Funchal.
Dies reichte für etwa 50 Ultras offenbar als Begründung, an diesem Tag mit Pyrofackeln und Prügeln bewaffnet ins Trainingszentrum von Sporting einzubrechen und einen Sturm der Gewalt zu entfesseln.
Rui Patricio, damaliger Sporting-Keeper schildert die folgenden Szenen so:
„Sie stürmten mit maskierten Gesichtern herein und griffen uns an. Sie haben mit niemandem gesprochen, sie begannen einfach, uns zu attackieren. Überall war Rauch. Sie hatten Fackeln geworfen, nachdem sie eingedrungen waren. Wir versuchten noch, sie zu beruhigen, aber sie brüllten: Wir nehmen euch die Trikots weg, ihr seid eine Schande, wir töten euch!
Sie platzten herein – ich weiß nicht, ob sie kamen, um zu töten – aber sie hatten alles mögliche dabei.“
Etliche Profis waren verprügelt und verletzt worden. Der inzwischen in Frankfurt spielende Bas Dost, musste etwa mit mehreren Stichen genäht werden. Mehrere Spieler wollten daraufhin ihre Verträge kündigen und nur mehr weg aus Lissabon. Unter anderem auch ,weil das hartnäckige Gerücht aufkam Sporting-Präsident Bruno de Carvalho habe den Angriff der Ultras, nicht nur gebilligt sondern selbst initiiert. Wenige Wochen vor dem Attentat, schoss der Präsident schon einmal scharf gegen die eigene Mannschaft, als er 19 Spieler wegen unzureichender Leistung suspendierte und sie so vor den Medien und den eigenen Fans praktisch für vogelfrei erklärte.
Inzwischen ist de Carvalho von den Mitgliedern abgewählt worden, 44 der Ultras mussten sich vor Gericht verantworten, 9 von ihnen wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Die Justiz hat also ihr Werk getan, für die Beteiligten aber wird diese Attacke wohl ein nicht zu vergessendes Trauma bleiben. Auch für zukünftige Spielertransfers zu Sporting wird dieser Eklat wenig hilfreich gewesen sein, wer würde schließlich einen Arbeitgeber wählen, bei dem man um sein Leben fürchten muss?
Portugals Fußballlandschaft ist also weit davon entfernt, seinem Image nach außen gerecht zu werden. Seiner Anziehungskraft gerade für junge Spieler, die sich hier entwickeln wollen, tut dies aber keinen Abbruch. Wobei es fraglich ist, ob etwa der Berater von Luca Waldschmidt, bei dessen Benfica-Transfer, ihn überhaupt auf die Vorfälle bei seinem zukünftigen Verein hingewiesen hat.
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